Aus dem Kurs: Psychologisch geschickt und überzeugend präsentieren

Hartnäckige Fälle lösen

Natürlich gibt es nicht immer eine Möglichkeit, Zuhörer vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was sie bisher für richtig gehalten haben. Das wäre auch nicht schön. Doch was können Sie tun, wenn Ihr Gegenüber partout nicht von seinem Standpunkt abweichen will und dies sogar wiederholt betont, Sie aber gleichzeitig eine Lösung finden müssen für eine Einigung? Dann packen Sie die menschliche Seite aus. Gehen Sie auf den anderen zu, zeigen Sie Verständnis für seine Sichtweise. Verständnis heißt ja nicht, dass Sie ihm zustimmen. Und dann machen Sie ihn auf Ihr gemeinsames Ziel aufmerksam. Sie haben immer in irgendeiner Form ein gemeinsames Ziel, sonst würden sie gar nicht zusammensitzen. Betrachten Sie die Situation aus der Vogelperspektive. Formulieren Sie dieses Ziel und betonen Sie, wie sehr Ihnen daran gelegen ist, eine Einigung zu finden. Aber wohlgemerkt, es geht jetzt ums Menschliche, nicht um Fakten oder darum, Recht zu behalten, nicht um Standpunkte oder Positionen. Häufig ist es sinnvoll, dies mit einem Ortswechsel zu verbinden, sodass auch physisch ein Positionswechsel stattfindet. Das mag wie in einer Präsentation nicht immer gehen. Vielleicht können Sie eine Pause machen und alle gehen zur Kaffeetheke. Wenn das nicht geht, nehmen zumindest Sie eine andere Position ein, und zwar so deutlich, dass Ihr Publikum sich im Sitzen verändern muss. Verlassen Sie die Bühne und gehen Sie beispielsweise in eine ganz andere Ecke des Raumes. Dann drehen sich alle zu Ihnen um. Hinter der Idee des gemeinsamen Ziels stecken zwei Dinge. Erstens verbinden Gemeinsamkeiten immer und gerade in der kontroversen Diskussion verliert man leicht den Fokus darauf, dass es neben allen Differenzen auch Gemeinsamkeiten gibt. Hier ist die Vogelperspektive sehr hilfreich. Zum Zweiten gehen Sie weg von der Sache, in der die Differenzen meist begründet liegen. Sie gehen hin zur menschlichen Ebene. Seien Sie gern hart in der Sache, aber stets weich zum Menschen. Wichtig ist, dass Sie auf der Beziehungsebene wieder eine Annäherung herstellen, die den Boden dafür bereitet, auch inhaltlich eine Annäherung zu finden. Vielleicht kennen Sie das Harvard-Verhandlungsprinzip. Dort wird auch unterschieden zwischen Mensch und Sache -- seien Sie hart in der Sache, aber weich zum Menschen -- und zwischen Interessen und Positionen, denn oft erkennen die Parteien nicht, wie sehr sie sich auf eine Position eingeschossen haben, anstatt zu schauen, ob die unterschiedlichen Interessen sogar kompatibel sind. Ich erzähle Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Harvard-Konzept. Zwei Mädchen stürzen sich auf die letzte Orange, die in der Küche liegt, und geraten prompt in einen Streit. Die eine meint, sie habe sie zuerst gesehen, die andere, sie dürfe sie sich nehmen, weil ihre Schwester schon die letzte genommen hat und so weiter. Geschwister halt. Stellen Sie sich nun vor, die Mutter kommt dazu. Was wird sie machen? Vermutlich die Orange halbieren und jeder die Hälfte geben. Das nennt man dann Kompromiss. Ein Kompromiss ist ein Treffen in der Mitte. Keiner hat verloren, aber auch keiner so richtig gewonnen. Was tut die Mutter im Idealfall? Sie fragt die beiden Mädchen, wozu sie die Orange brauchen. Und so stellt sich heraus, dass die eine Saft daraus pressen will, weil sie Durst hat, die andere will einen Kuchen backen und braucht dazu die Zesten der Schale. Anstatt sich zu streiten, wem die Orange zusteht, ist es hilfreicher, herauszufinden, was die Interessen der Parteien sind. Was ist das Interesse Ihres Publikums? Das Gesicht zu wahren? Recht zu behalten? Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen? Keinen Mehraufwand zu betreiben? Oder will es tatsächlich die beste Lösung, die Sie ihm anbieten? Ich habe mehr als einmal erlebt, dass der Kunde mir in der Sache zugestimmt hat, sie aber trotzdem abgelehnt hat, weil er intern kein Risiko eingehen wollte, die Mühen gescheut hat oder Ähnliches. Menschen entscheiden sich nicht immer für die inhaltlich beste Lösung. Sie haben auch andere Gründe; Gründe, die Sie vielleicht erst herausfinden müssen, die wahren Interessen. Oft hilft es, wenn Sie in einer festgefahrenen Diskussion einen Schritt zurücktreten und sich das Ganze aus einer anderen Perspektive ansehen und nach Gemeinsamkeiten suchen. Es ist eben nicht immer das Wichtigste, Recht zu behalten. Es geht darum, eine Lösung zu finden, mit der beide glücklich sind: Win-win.

Inhalt